Lebensnahe Städte gestalten – Studie untersucht Umsetzung der 15-Minuten-Stadt

Das deutsche Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) hat die Übertragbarkeit des Konzepts der „Stadt der Viertelstunde“ auf deutsche Städte untersucht. Die Studie analysiert räumliche Voraussetzungen, benennt zentrale Handlungsfelder und zeigt auf, wie alltägliche Funktionen besser lokal erreichbar gemacht werden können. Dabei wird das Konzept nicht als starr verstanden, sondern als strategisches Leitbild, das sich flexibel auf unterschiedliche städtische und regionale Kontexte anwenden lässt. Die Erkenntnisse daraus sind auch für Wien und seine Verkehrsplanung relevant.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die alltäglichen Lebensbereiche wie Wohnen, Arbeiten, Bildung und Versorgung sollen in 15 Minuten erreichbar sein. 
  • Die Ergebnisse der Studie zeigen die Potenziale zur CO2-Reduktion, Verbesserung der Lebensqualität und Förderung nachhaltiger Mobilität auf. 
  • Die Empfehlungen betreffen Raumplanung, Verkehrsinfrastruktur und neue Formen der Stadtentwicklung sowie Governance – inklusive übertragbaren Ansätzen für Städte wie beispielsweise Wien. 

Ein Konzept für lebensnahe Stadtentwicklung

Die „Stadt der Viertelstunde“ verfolgt das Ziel, zentrale Lebensbereiche wie Wohnen, Arbeiten, Bildung, Versorgung und Freizeit so anzuordnen, dass sie innerhalb von 15 Minuten erreichbar sind – vorzugsweise zu Fuß, mit dem Rad oder dem öffentlichen Verkehr.  

Die übergeordneten Ziele sind mehr Lebensqualität, weniger Verkehrsaufkommen und eine klima- und sozialverträgliche Stadtentwicklung. 

Vorgehen und Methodik

Das Forschungsvorhaben basiert auf einer internationalen Literaturauswertung (z. B. Paris, Melbourne, Portland), einer Analyse der bestehenden deutschen Planungsinstrumente auf verschiedenen föderalen Ebenen sowie auf fünf vertiefenden Fallstudien in deutschen Städten. 

Ergänzend wurden Interviews mit Fachleuten aus Stadt- und Verkehrsplanung geführt sowie Erreichbarkeitsanalysen auf Quartiersebene durchgeführt. Ziel war es, praxisnahe Erkenntnisse zu Potenzialen und Umsetzungshindernissen zu gewinnen. 

Zentrale Ergebnisse der Studie

Die Studie zeigt, dass zentrale Alltagsfunktionen in vielen Städten räumlich voneinander getrennt sind. In innerstädtischen Räumen können über 80 Prozent der Bevölkerung eine Vielzahl alltagsrelevanter Ziele – etwa Nahversorgung, Bildungs- oder Gesundheitsangebote – innerhalb von 15 Minuten erreichen. In weniger dichten oder peripheren Gebieten sinkt dieser Anteil hingegen teilweise auf unter 30 Prozent. 

Die Studie hat ganz klar gezeigt, dass die Qualität der Nahmobilität – also der Infrastruktur für Fuß- und Radverkehr sowie die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr – dafür entscheidend ist, ob das 15-Minuten-Prinzip im Alltag tatsächlich umgesetzt werden kann. Auch die soziale Dimension wird hervorgehoben. Es zeigt sich, dass quartiersnahe Angebote die soziale Teilhabe stärken, die Nutzung öffentlicher Räume fördern und das Gemeinschaftsgefühl im Stadtteil stärken. 

Handlungsempfehlungen für Städte und Regionen

Die Studie formuliert drei zentrale Handlungsfelder, die für die Umsetzung der 15-Minuten-Stadt relevant sind: 

Raumstruktur: 

  • Mischungsorientierte Quartiersentwicklung stärken 
  • Wohnen, Arbeit, Nahversorgung, Bildung und Freizeit lokal bündeln 
  • Stadtentwicklungsförderung gezielt auf integrierte Strukturen ausrichten 

Mobilität und Infrastruktur: 

  • Fuß- und Radverkehrsnetze ausbauen und verbessern 
  • Zugänge zum öffentlichen Verkehr in Quartiersnähe planen und bauen 
  • Umsteigepunkte und multimodale Knoten stärken 

Governance und Umsetzung: 

  • Kooperative Planung zwischen kommunalen Fachbereichen fördern 
  • Beteiligung von Bürger*innen und systematische Einbindung lokaler Akteur*innen  
  • Monitoring-Methoden zur Bewertung von Erreichbarkeiten aufbauen 

Bedeutung für Wien und die Wiener Linien

Obwohl sich die Studie nur auf deutsche Städte bezieht, lassen sich viele Erkenntnisse auf Wien übertragen. Wien verfolgt mit dem neuen Stadtentwicklungsplan bis 2035 („WienPlan“) und dem Ausbau des Umweltverbunds bereits ähnliche Ziele.
Für die Wiener Linien ergeben sich aus den Ergebnissen folgende Impulse: 

Netzplanung enger mit Quartiersentwicklung verknüpfen: 

  • Der weitere Ausbau des öffentlichen Verkehrs – etwa durch neue U-Bahn- und Straßenbahnlinien bzw. deren Verlängerung – kann mit der gezielten Entwicklung durchmischter Quartiere kombiniert werden, um wohnortnahe Versorgung zu ermöglichen. 

Multimodalität stärken:

  • Die Verknüpfung von öffentlichem Verkehr mit Rad- und Fußverkehr sowie Sharing-Angeboten entspricht den Mobilitätsanforderungen des 15-Minuten-Konzepts.  
  • Die Wiener Linien tragen aktiv als Teil des Umweltverbunds zur besseren Integration von Radverkehr und Sharing-Systemen (WienMobil) bei. Besonders in Außenbezirken ist die Förderung solcher multimodalen Angebote entscheidend für die Erreichbarkeit im 15Minuten-Radius. 

Datenbasiertes Monitoring nutzen:

  • Die in der Studie genutzten Methoden zur Erreichbarkeitsanalyse könnten auf Wien übertragen werden, um Versorgungslücken und Potenziale gezielt zu identifizieren. 

Governance und Beteiligung:

  • Wien kann von den Empfehlungen zur ressortübergreifenden Zusammenarbeit und partizipativen Stadtentwicklung profitieren, um bestehende Ansätze weiter zu stärken. 

Fazit & Ausblick

Damit bietet die Studie nicht nur strategische Anhaltspunkte für deutsche Städte, sondern auch einen übertragbaren Rahmen für andere europäische Städte wie Wien, die sich eine klimafreundliche, lebensnahe Stadtentwicklung zum Ziel gesetzt haben.