Die EU muss ihre verkehrsbedingten Emissionen bis 2050 um 90 Prozent senken, um klimaneutral zu werden – eine enorme Herausforderung. In Wien entfallen 36 % der Treibhausgasemissionen auf den Verkehrssektor. Wie kann der Umstieg auf alternative Antriebe gelingen?
Um unsere Klimaziele zu erreichen, müssen neben der Verlagerung des Verkehrs auf öffentliche Verkehrsmittel die Verkehrsträger auch dekarbonisiert werden. Nullemissionsfahrzeuge wie Elektro-, Wasserstoff- und Range Extender-Fahrzeuge spielen dabei eine zentrale Rolle.
Die Stadt Wien investiert massiv in den Umstieg auf emissionsfreie Fahrzeuge und den Ausbau der Lade- und Wasserstoffinfrastruktur. Die Wiener Stadtwerke treiben die Elektrifizierung ihres Fuhrparks voran, während Wiener Linien auf eine Kombination aus E-Bussen und Wasserstoff setzen. Förderprogramme und ein breiter Infrastrukturausbau sind zentrale Bausteine dieser Strategie.
Alternative Antriebe setzen auf umweltfreundliche Energiequellen wie Strom, Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe, um fossile Brennstoffe zu ersetzen. Sie sind entscheidend, um CO₂-Emissionen im Verkehrssektor zu senken und die Klimaziele zu erreichen. Der Ausbau dieser Technologien reduziert Luftschadstoffe, macht die Mobilität nachhaltiger und verringert die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen – zentrale Bausteine für eine erfolgreiche Antriebs- und Energiewende.
Die Verkehrswende zielt auf einen umfassenden Umbau des Verkehrssystems und einen Umstieg auf umweltfreundliche Mobilität ab. Diese basiert auf drei Säulen: Vermeiden, Verlagern, Verbessern. Die zentrale Rolle im Bereich „Verbessern“ spielt dabei die Antriebswende, die den Einsatz fossiler Treibstoffe durch klimaneutrale Antriebsarten wie Elektromobilität ersetzt. Ziel ist es, CO₂-Emissionen, Luftschadstoffe und Lärm zu reduzieren oder idealerweise ganz zu vermeiden. Alle Verkehrsmittel – ob öffentlich oder privat – sollen in Zukunft klimaverträglich betrieben werden. Dafür muss der zusätzlich benötigte Strom aus erneuerbaren Quellen stammen. Daher erfordert die Energiewende im Verkehr auch eine schnelle und konsequente Umsetzung.
Die Stadt Wien setzt ein starkes Zeichen für den Klimaschutz. In den kommenden sieben Jahren werden 1.245 Nutzfahrzeuge der Wiener Stadtwerke und jene des städtischen Fuhrparks durch elektrische Fahrzeuge ersetzt. Dafür stellt die Stadt 56 Millionen Euro bereit.
Die Wiener Stadtwerke setzen bei der Fahrzeugbeschaffung hohe Maßstäbe. Bereits 36 % der PKW-Flotte, das sind rund ein Drittel, der Wiener Stadtwerke sind elektrisch unterwegs. Nun folgt die Umstellung der Nutzfahrzeuge. Neben der Fahrzeugbeschaffung wird auch die Ladeinfrastruktur ausgebaut, und die KFZ-Mechaniker*innen sind bereits für die Reparatur von E-Fahrzeugen geschult. 2023 wurden 22 E-Nutzfahrzeuge im Probebetrieb getestet. Die Wiener Netze und Wiener Linien koordinieren miteinander das Fuhrparkmanagement, um den Umstieg so effizient wie möglich umzusetzen.
Im Kompetenzzentrum für E-Mobilität Siebenhirten können 60 Busse geladen, gereinigt und repariert werden. Bis Ende 2025 sind bei den Wiener Linien 60 Elektro-, 10 Wasserstoff- und 10 Range-Extender-Busse im Einsatz. Die Wiener Lokalbahnen Cargo betreiben rund 30 E-Loks.
Die Wiener Linien setzen auf einen Mix aus E-Bussen und Wasserstoffbussen, um den unterschiedlichen Anforderungen des Stadtgebiets gerecht zu werden und ihre Dekarbonisierungsziele zu erreichen. Wien stellt mit einem Höhenunterschied von rund 400 Metern eine topografisch herausfordernde Umgebung für den öffentlichen Verkehr dar. Deshalb kommen 60 Batteriebusse auf leichten, flachen und kurzen Linien als Gelegenheits- bzw. Depotlader zum Einsatz, während Wasserstoffbusse für anspruchsvollere Strecken besser geeignet sind – etwa bei schwieriger Topografie, kurzen Intervallen, langen Linienkilometern wie im Nachtverkehr, geringen Ausgleichzeiten. Sie bieten dabei nicht nur hohe Reichweiten und kurze Betankungszeiten, sondern verursachen bei Verwendung von grünem Wasserstoff auch keine CO₂-Emissionen und tragen zur Luftreinhaltung bei. Besonders wichtig ist diese Technologie für die Wiener Linien, da rund 70 % ihrer Busflotte aus Gelenkbussen besteht, für die es derzeit kein batteriebetriebenes Äquivalent gibt. Voraussetzung für den breiteren Einsatz ist eine flächendeckende Wasserstoff-Tankstelleninfrastruktur, an deren Aufbau die Wiener Stadtwerke bereits intensiv arbeiten.
2023 stieg die Zahl der zugelassenen Elektrobusse in Europa um 53 % auf 6.354 Fahrzeuge (EU27 + Norwegen, Island, Schweiz). Der Anteil emissionsfreier Stadtbusse (BEV & Wasserstoff) erreichte 42 %, verglichen mit nur 15 % im Jahr 2020 – eine Verdreifachung in drei Jahren. Insgesamt wurden 13.466 Busse mit alternativen Antrieben zugelassen, ein Anstieg von 41 % gegenüber 2022.
Wien Energie ist Vorreiterin der Mobilitätswende und betreibt das dichteste Ladenetz im Großraum Wien mit über 2.200 öffentlichen zugänglichen Ladepunkten mit 100 % Ökostrom. 2024 wurden 600 neue Ladestellen errichtet, für 2025 sind knapp 1000 weitere geplant. Der Schnellladehub Margaretengürtel hat sich mit über 33.000 Ladevorgängen im Jahr 2024 als zentrale Anlaufstelle etabliert – auch für Pendler*innen. Um diesen Ausbau weiter voranzutreiben, braucht es stabile Rahmenbedingungen und politische Unterstützung.
Für die Zukunft sind bis zu 7.000 öffentliche Ladestellen unter 22 kW und 4.700 über 22 kW erforderlich, um den steigenden Ladebedarf zu decken.
Neben ausreichend Lademöglichkeiten im öffentlichen und privaten Raum spielen auch Ladestellen in Parkgaragen und Parkhäusern eine wichtige Rolle. Vor kurzem wurde die 500. Stromtankstelle in WIPARK Garagen eröffnet.
Viele Stakeholder, wie beispielsweise die öffentliche Hand, Energieunternehmen oder private Investore*innen - haben großes Interesse an dem Auf- und Ausbau der E-Ladeinfrastruktur. Zum einen, um die Mobilitäts- und Klimaziele zu erreichen, zum anderen um den Markthochlauf für E-Mobilität anzukurbeln.
Laut einer Studie der BOKU wird die Zahl der E-Autos in Wien bis 2040 auf 377.000 bis 454.000 steigen. Bis 2030 wird ein Anstieg von rund 675 % auf 155.000 Fahrzeuge erwartet. Um diesen Wandel zu bewältigen, braucht es massive Investitionen in erneuerbare Energien und den Ausbau der Ladeinfrastruktur. Bestehende Mehrparteienhäuser bieten in Wien das größte Ausbaupotenzial für Ladeinfrastruktur. Sie können maßgeblich dazu beitragen, das Laden von E-Autos von den Straßen in private Garagen zu verlagern und Mieter*innen den Umstieg von Verbrennern auf E-Mobilität zu erleichtern.
Das Straßenfahrzeug-Beschaffungsgesetz (SFBG), in Kraft seit 28.07.2021, setzt die europäische Clean Vehicles Directive (CVD) um. Ziel ist die Reduzierung von CO₂- und Schadstoffemissionen durch verbindliche Mindestquoten für emissionsarme PKW, Nutzfahrzeuge und Stadtbusse im öffentlichen Bereich. Die Umsetzung erfolgt in zwei Phasen bis 2030.
Das Gesetz betrifft öffentliche Auftraggeber wie Kommunen, Nahverkehrsbetriebe, Müllabfuhr und Postdienste. Neben Kauf sind auch Miete, Leasing und Ratenkauf erfasst. Ausnahmen gelten für Spezialfahrzeuge wie zB Schneepflüge.
Die Umsetzung erfordert den Aufbau von Lade- und Wasserstoffinfrastruktur sowie eine größere Fahrzeugverfügbarkeit seitens der Fahrzeughersteller. Gleichzeitig fördert das Gesetz neue Antriebstechnologien, reduziert Emissionen und schafft durch Sharing-Modelle und Outsourcing wirtschaftliche Vorteile. Es ist ein wichtiger Schritt zur nachhaltigen Modernisierung des Verkehrs.
Über den Zeitrahmen der CVD hinaus geben die europäischen CO2-Standards für PKW und leichte Nutzfahrzeuge sowie für schwere Nutzfahrzeuge vor, welche Fahrzeuge die Hersteller zukünftig auf den Markt bringen können. Neue PKW, leichte Nutzfahrzeuge und Stadtbusse müssen ab 2035 emissionsfrei sein.
Die Wiener Stadtwerke und ihre Konzernunternehmen sind der zentrale Klimaschutzpartner der Stadt. Kein anderes Unternehmen hat eine derartige Hebelwirkung, wenn es um reale Verbesserungen auf dem Weg zur Klimaneutralität geht. Bis zum Jahr 2026 investieren die Wiener Stadtwerke 6,2 Milliarden Euro, davon sind 91 Prozent klimafördernd.
Bis 2029 will Wien Energie ein Rekord-Investitionsprogramm umsetzen. 2,6 Milliarden Euro investiert Wien Energie in den Umbau des Energiesystems. Davon fließt rund eine Milliarde in den Ausbau von Sonnen- Wind- und Wasserkraft. Rund 800 Millionen Euro investiert Wien Energie in erneuerbare Wärmeerzeugung und Kreislaufwirtschaft und rund 260 Millionen Euro in den Ausbau der Fernwärme, Fernkälte und dezentrale Erzeugung. Weitere rund 260 Millionen Euro fließen in Digitalisierung, Innovation, E-Mobilität und Telekommunikation und rund 320 Millionen Euro in die Versorgungssicherheit.
Mit diesen Investitionen wird Wiens Energiezukunft klimafreundlich, sicher und innovativ gestaltet.
Um die Antriebswende voranzutreiben und die Ziele zu erreichen, sind insbesondere der Ausbau von Ladeinfrastruktur und Wasserstofftankstellen sowie Förderungen für emissionsfreie Fahrzeuge essenziell. Voraussetzung ist außerdem, dass es am Markt auch ein ausreichendes Angebot an Nullemissionsfahrzeugen gibt.
Ein schnellerer Ausbau von Ladeinfrastruktur und Wasserstofftankstellen ist essenziell, insbesondere für den öffentlichen Verkehr und den Schwerlastverkehr. Wien Energie geht hier bereits mit gutem Beispiel voran und baut kontinuierlich Ladeinfrastruktur aus. Dieser Ausbau ist jedoch auch mit Herausforderungen verbunden. Beispielsweise müssen Genehmigungsverfahren für Ladestationen und Wasserstofftankstellen in Städten und auf Autobahnen vereinfacht werden. Auch beim Ausbau von Ladestationen in bestehenden Mehrparteienhäusern sind eine Vielzahl an bürokratischen und finanziellen Hürden zu meistern, obwohl diese das größte Ausbaupotential bieten. Aus diesem Grund braucht es eine einheitliche Förderung der Basisinfrastruktur in Wien. Diese würde für Eigentümerinnen und Eigentümergesellschaften Anreize schaffen um, in Ladeinfrastruktur zu investieren und gleichzeitig eine einheitliche, effiziente Lösung für alle Nutzer*innen schaffen.
Steuervergünstigungen und Förderprogramme sind für den Kauf von Elektro- und Wasserstofffahrzeugen erforderlich. Zusätzlich sollten Subventionen für den Betrieb emissionsfreier Fahrzeuge bereitgestellt werden, insbesondere für Unternehmen und den öffentlichen Verkehr.
Zwei der wichtigsten Förderprogramme in diesem Bereich sind EBIN (Emissionsfreie Busse und Infrastruktur) und ENIN (Emissionsfreie Nutzfahrzeuge und Infrastruktur). Das EBIN-Programm fördert emissionsfreie Busse (E-Busse, Oberleitungsbusse, Wasserstoff-Busse) sowie die Lade- und Betankungsinfrastruktur im öffentlichen Verkehr. Ziel ist die Erhöhung der E-Bus-Anzahl in Österreich bis 2026. Für EBIN sind für den Zeitraum von 2022 - 2025 ca. 250 Mio. Euro an RRF-Förderbudget vorgesehen. Ein Nachfolgeprogramm ist angedacht. Das ENIN-Programm unterstützt Unternehmen bei der Anschaffung emissionsfreier Nutzfahrzeuge (N1, N2, N3) und der dazugehörigen Infrastruktur. Insgesamt sind dafür 365 Mio. Euro für den Zeitraum von 2022 – 2026 vorgesehen. Beide Programme leisten einen wesentlichen Beitrag zur CO₂-Reduktion und zur Förderung nachhaltiger Mobilität und müssen daher unbedingt verlängert werden.
Verpflichtende Quoten für emissionsfreie Fahrzeuge im öffentlichen Verkehr und Gütertransport sind entscheidend, um die Umstellung zu beschleunigen. Gleichzeitig braucht es strengere CO₂-Grenzwerte für Neufahrzeuge, um emissionsfreie Antriebe weiter am Markt zu etablieren. Ein Verbrenner-Aus bis 2035, insbesondere für städtische Flotten, schafft klare Rahmenbedingungen für diesen Wandel und sollte beibehalten werden.
Wichtig ist dabei: Ab 2035 gilt kein generelles Verbot für Verbrenner, sondern eine Regelung für Neuzulassungen. Das bedeutet, dass ab diesem Zeitpunkt nur noch Neufahrzeuge zugelassen werden, die CO₂-emissionsfrei fahren. Bestehende Benzin- und Dieselautos bleiben weiterhin nutzbar, allerdings werden sie nicht mehr neu erhältlich sein. E-Fuels-kompatible Verbrenner sind nicht ausgeschlossen, sofern sie klimaneutral betrieben werden.
Die Reduktion des Individualverkehrs ist ein zentraler Bestandteil der Mobilitätswende. Öffentliche Verkehrsmittel spielen dabei eine Schlüsselrolle, indem sie eine umweltfreundliche Alternative bieten. Maßnahmen wie das Konzept der "verkehrsberuhigten Innenstadt“, die Förderung von Carsharing-Modellen und alternativen Mobilitätskonzepten sowie die Errichtung von geförderten Park+Ride-Garagen an den Stadtgrenzen können diesen Wandel unterstützen. Die Wiener Linien und Wipark haben bereits begonnen, solche Konzepte in die städtischen Verkehrsstrategien zu integrieren.