Johannes Imminger und Elena Gehmayr
13.05.2025
Unabhängiger von Energieimporten und vor allem von unsicheren, geopolitischen Aufruhren im Energiebereich zu werden, war bereits ein zentrales Ziel der vergangenen EU-Kommission. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine sowie hohe, stark volatile Energiepreise haben die Kommission zum Handeln gebracht. Ihre Antwort darauf: Der im Mai 2022 eingeleitete REPowerEU-Plan. Dieser adressiert, wie die EU bis spätestens 2027 unabhängig von fossilen Brennstoffen aus Russland werden kann und damit die Versorgungssicherheit nachhaltig sichergestellt wird. Dies sollte durch eine Beschleunigung der sauberen Energiewende ermöglicht werden, weshalb zahlreiche Maßnahmen dafür im Rahmen des REPowerEU-Plans veröffentlicht wurden. Dazu zählen unter anderem die EU-Erdgasbevorratung, eine EU-Solarstrategie, ausgewiesene „Go-To-Gebiete“ für den Erneuerbaren-Ausbau und konkrete Zielvorgaben für den Wasserstoff-Hochlauf.
Dass diese Maßnahmen Wirkung zeigen, erkannte man bereits Ende 2022 mit einem Blick auf die russischen Gaseinfuhren. Ein gutes halbes Jahr nach Einleitung des REPowerEU-Plans konnten die Gasimporte aus Russland bereits von 45% auf 19% reduziert werden. Vergangenes Jahr erholte sich der Anteil der russischen Importe jedoch wieder, weshalb die Kommission nun den Fahrplan zum Ausstieg aus russischen Energieimporten vorgelegt hat. So soll langfristig und nachhaltig die Abhängigkeit von Russlands Energieimporten beendet und eine stabile Energieversorgung gewährleistet werden.
Um das Ziel eines Endes der Abhängigkeiten zu erreichen, soll, laut Fahrplan der Kommission, schrittweise russisches Öl, Gas und Uran von europäischen Märkten ausgeschlossen werden. Für den Gasmarkt bedeutet das eine zweistufige Vorgehensweise. So sollen neue Gaslieferverträge sowie bestehende Spotverträge schon bis Ende 2025 verboten werden. Bereits durch diese Maßnahme können laut Kommission rund ein Drittel der russischen Gasimporte reduziert werden. Alle schon bestehenden Langfristverträge, also die anderen zwei Drittel der aktuellen Importe, sollen dann bis spätestens Ende 2027 auslaufen. Durch diese Herangehensweise wird erwartet, dass sich die Gasmärkte leichter anpassen können.
Zusätzlich sollen Mitgliedstaaten bis zum Jahresende 2025 erstmals nationale Pläne vorlegen, die aufzeigen, wie sie ihren Weg aus den russischen Energieimporten konkret umsetzen werden.
Parallel werden alternative Bezugsquellen von Gas sowie der Ausbau nicht-fossiler Alternativen, insbesondere Biomethan und Elektrifizierung, weiter vorangetrieben werden. Der Fokus liegt dabei auf der Diversifizierung, der Flüssigerdgas (LNG) -Infrastruktur und -import, sowie einem verstärkten gemeinsamen Gaseinkauf. Außerdem gilt es generell, eine Reduktion des Gasverbrauchs zu forcieren.
Um diese Maßnahmen transparent nachvollziehen zu können, soll ein EU-weites Monitoring- und Rückverfolgbarkeitssystem von russischem Gas aufgebaut werden.
Der Fahrplan umfasst jedoch nicht nur den Gasausstieg, sondern auch den Ausstieg aus russischer Kernenergie und Öl. So soll ebenfalls bis Ende 2027 russisches Öl durch alternative Quellen ersetzt und die sogenannte Schattenflotte durch verstärkte Überwachung, Boarding und Kontrolle verdächtiger Schiffe und eine Kooperation mit Drittstaaten bekämpft werden.
Hinsichtlich der Kernenergie werden Beschränkungen für angereichertes Uran durch Handelshürden sowie ein Verbot neuer Verträge mit russischen Lieferanten durch Euratom eingeführt. Auch hier gibt es eine Diversifikationsverpflichtung. Mitgliedstaaten müssen nationale Ausstiegspläne für eine Umstellung bis Ende 2027 vorgelegen. Außerdem soll die EU-Produktion durch die European Radioisotopes Valley Initiative (ERVI) angekurbelt werden.
Der Fahrplan zielt darauf ab, die strategischen Ziele der EU, wie sie im Kompass für Wettbewerbsfähigkeit, im Clean Industrial Deal und im Aktionsplan für erschwingliche Energie dargelegt sind, weiter zu verfolgen. Diese Ziele sollen durch die Reduktion der Einfuhren fossiler Brennstoffe sowie einer nachhaltigen Energiewende beschleunigt werden.
Zur rechtlichen Umsetzung der im Fahrplan festgelegten Ziele und der Erreichung der Fortschreibung des REPowerEU-Plans sollen bereits im Juni erste Gesetzgebungsvorschläge der Kommission vorgelegt werden. Jedoch ist noch unklar, ob und wie der Fahrplan im Detail realisiert werden kann. Möglichkeiten sind hier entweder über das Energierecht mit Rats- und Parlamentsbeteiligung oder neue Sanktionen. Zweitere werden jedoch als unwahrscheinlicher angesehen, da diese eine Einstimmigkeit im Rat erfordern würden, was vor allem mit den eher zögerlichen Mitgliedstaaten wie Ungarn oder der Slowakei schwierig werden könnte.
Um eine sichere Gasversorgung für ihre Kund*innen zu gewährleisten, hat Wien Energie bereits im Herbst letzten Jahres angekündigt, dass sie 2025 aus russischem Gas aussteigt - und das umfassend. Davon betroffen ist die Belieferung der privaten und gewerblichen Kund*innen sowie der Betrieb der Kraftwerke und der Fernwärme. Wien Energie war damit der ersten österreichische Energiedienstleister, der den eigenen Gasbedarf nachweislich aus alternativen Quellen (vorrangig aus der Nordsee) decken konnte. Zentral dabei: Es soll zu keinen Mehrkosten für die Kund*innen kommen.
Durch die Verträge mit alternativen Quellen konnten Marktanreize sowie ein konkreter Schritt zur Unabhängigkeit von russischem Gas gesetzt werden. Generell verfolgt das Unternehmen die Strategie, die Energiequellen zu diversifizieren und den Gasbedarf zu reduzieren – der konsequente Ausbau erneuerbarer Strom- und Wärmeproduktionsquellen zeugen davon. Um diesen Weg jedoch konsequent weiterzuführen, braucht es seitens der Politik den geeigneten Rahmen, wie etwa jenen für eine klare Heizungsumstellung im Gebäudesektor. Gas ist und bleibt aber auch in Zukunft ein wichtiger Energieträger - darum ist es notwendig sowohl die Infrastruktur aufrecht zu erhalten als auch die Erzeugung von klimaneutralen Gas auszubauen. Gerade auch im Bereich der zukünftigen Nutzung von Wasserstoff in der Industrie und der Kraftwerke besteht ein wichtiges Potential zur Sicherung der Versorgung und Dekarbonisierung der Energie der Zukunft.
Public Affairs Expertin