Europäische Kommission präsentiert mit Arbeitsprogramm erste Prioritäten für 2026 

Johannes Imminger und Lucie Petersen
23.10.2025

Am 21. Oktober hat die Kommission ihr Arbeitsprogramm für 2026 vorgelegt. Unter dem Titel „Europas Moment der Unabhängigkeit“ soll die diesjährige Schwerpunktsetzung auf Wettbewerbsfähigkeit und Sicherheit fortgesetzt werden. Dazu zählen weitere Initiativen zur Vereinfachung der europäischen Gesetzgebung durch so genannte Omnibus-Pakete, u.a. im Bereich Energie. Neue Gesetzgebungsvorschläge soll es allerdings auch wieder geben, u.a. einen Rechtsakt über Cloud- und KI-Entwicklung sowie ein Kreislaufwirtschaftsgesetz.

Das Arbeitsprogramm als wichtiger Meilenstein der EU-Politik

Gegen Ende eines jeden Jahrs legt die Europäische Kommission ein Arbeitsprogramm vor, das eine Liste der wichtigsten neuen politischen und legislativen Initiativen für das darauffolgende Jahr enthält. Im Verlauf einer Legislaturperiode werden so Schritt für Schritt, von Arbeitsprogramm zu Arbeitsprogramm, die Prioritäten der Kommission konkretisiert und die Aufgaben der Kommissar*innen umgesetzt, die ihnen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu Beginn ihrer Amtszeit vor einem knappen Jahr zugewiesen hat. Sie prägen auch die Arbeit des Europäischen Parlaments und Rats, da diese zwar als Co-Gesetzgeber formal über die Vorschläge der Kommission entscheiden. Das Initiativrecht für neue Vorschläge auf EU-Ebene liegt allerdings allein bei der Kommission. 

Der Fokus der Arbeitsprogramme liegt im Detail meist auf dem ersten Anhang, in dem die neuen Vorhaben stehen. Doch auch die anderen Anhänge sind aufschlussreich: 

  • Anhang II zeigt, welche bestehenden EU-Regeln überprüft werden sollen. 
  • Anhang III listet laufende Gesetzgebungsverfahren. 
  • Anhang IV nennt Vorschläge, die die Kommission zurückziehen will. 
  • Anhang V enthält Regelungen, die ganz aufgehoben werden sollen. 

Schwerpunkte des Arbeitsprogramms 2026

Auch das nun für 2026 vorgelegte Kommissions-Arbeitsprogramm ist entlang dieser Prioritäten gegliedert. Die einzelnen Initiativen sind dabei den folgenden, von der Kommission vorgegebenen Überschriften zugeordnet: 

  • Ein neuer Plan für nachhaltigen Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit in Europa; 
  • Eine neue Ära für die europäische Verteidigung und Sicherheit; 
  • Die Menschen unterstützen, unsere Gesellschaften und unser Sozialmodell stärken; 
  • Unsere Lebensqualität erhalten: Ernährungssicherheit, Wasser und Natur; 
  • Unsere Demokratie schützen und unsere Werte wahren; 
  • Europa in der Welt: unseren Einfluss und unsere Partnerschaften nutzen.

Im diesjährigen Programm dreht sich damit vieles um das Thema Vereinfachung von Verfahren und Gesetzgebung. Übergeordnetes Ziel ist die Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit und des europäischen Binnenmarkts, was sich nicht zuletzt an der großen Anzahl der Initiativen unter der ersten Überschrift zeigt. Gleichzeitig rücken auf Grund der aktuellen geopolitischen Spannungen die Themen Sicherheit, Resilienz und Verteidigung stärker in den Fokus.

Reform des Vergaberechts

Eine der konkreten Initiativen unter der ersten Überschrift „Ein neuer Plan für nachhaltigen Wohlstand und nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit in Europa“ ist die für das zweite Quartal 2026 angekündigte umfassende Reform des EU-Vergaberechts vorlegen. Ziel ist es auch hier, den bisher komplexen Rechtsrahmen zu vereinfachen und das Vergaberecht strategisch zur Stärkung der europäischen Wirtschaft zu nutzen. Als konkreter nächster Schritt steht noch vor Jahresende eine öffentliche Konsultation an, die der Kommission weiteren Input für ihre Initiative liefern soll.

Initiativen im Bereich der Energie-, Klima- und Umweltpolitik

Nachdem die Initiativen der Kommission im Bereich der Energie-, Klima- und Umweltpolitik in der vergangenen Legislaturperiode unter der Überschrift des European Green Deals standen, so sollen sie nun zum Ziel eines „nachhaltigen Wohlstands und Wettbewerbsfähigkeit“ beitragen.  

Zwar soll das Ziel der Dekarbonisierung auch weiter verfolgt werden, u.a. mit einem stärkeren Fokus auf Elektrifizierung. Hierzu möchte die Kommission im ersten Quartal 2026 u.a. einen Elektrifizierungs-Aktionsplan, inklusive Maßnahmen zur Wärme- und Kälteversorgung, vorlegen. Gleichzeitig soll aber in der zweiten Jahreshälfte im Rahmen eines „Energie-Union-Pakets“ die Energie- und Klimagesetzgebung, u.a. mit Blick auf die Governance-Verordnung und die EU-Regeln für Erneuerbare Energien und Energieeffizienz, überarbeitet werden. Auch neue Regeln für die Entwicklung einer europäischen Infrastruktur für CO2-Transporte sind in diesem Zusammenhang angekündigt.  Offen ist dabei, welche konkreten Maßnahmen in einem zuvor schon für Q2 angekündigten „Energie-Omnibus“ enthalten sein werden, der die europäische Energiegesetzgebung vereinfachen soll.  

Mit Blick auf die Klima- und Umweltpolitik soll u.a. ein „Update“ des EU-Emissionshandelssystems im dritten Quartal 2026 vorgeschlagen werden, ebenso wie ein europäischer Rahmen für Klimaresilienz im vierten Quartal. Das ebenfalls für das dritte Quartal angekündigte Kreislaufwirtschaftsgesetz zielt darauf ab, den Übergang zu einer stärker kreislauforientierten Wirtschaft zu beschleunigen und eine größere Unabhängigkeit der EU im Bereich der Rohstoffversorgung zu erlauben. Konkret soll das neue Gesetz einen Binnenmarkt für Sekundärrohstoffe schaffen, das Angebot an hochwertigen Recyclingmaterialien erhöhen und die Nachfrage nach diesen Materialien in der EU ankurbeln. 

Europäische Kapazitäten im Bereich Cloud und AI

In diesjährigen Digitalstrategien war er bereits für Ende dieses Jahres angedacht, nun kündigt die Kommission ihren neue Rechtsakt über Cloud- und KI-Entwicklung offiziell für das 1. Quartal 2026 an. Der Rechtsakt soll dabei helfen, die Lücke bei den Cloud- und KI-Infrastrukturkapazitäten in Europa zu schließen. Das Ziel ist eine Verdreifachung der europäischen Rechenleistung in den nächsten 5 bis 7 Jahren. Auch mit dieser Initiative sollen sowohl Wettbewerbsfähigkeit als auch Unabhängigkeit gestärkt werden. 

Welche Vorschläge werden zurückgezogen?

Auch im Arbeitsprogramm für 2026 sind Vorschläge genannt, die die Kommission innerhalb der kommenden sechs Monate zurückziehen will. Dieses Mal gehört dazu der Vorschlag zur Überarbeitung der Richtlinie über den Kombinierten Verkehr, der im November 2023 als Teil des Europäischen Green Deal vorgelegt wurde. Weder Europäisches Parlament noch Rat hatten bislang eine Position angenommen. Insbesondere fehlte ein Konsens über die geplante neue Definition des kombinierten Verkehrs. Bereits zwei vorherige Überarbeitungsversuche der Richtlinie aus den Jahren 1998 und 2017 scheiterten, da keine zufriedenstellende Einigung zwischen den EU-Institutionen gefunden werden konnte.

Was steht noch aus dem diesjährigen Arbeitsprogramm aus?

Obwohl das Arbeitsprogramm bereits den Blick auf 2026 richtet, arbeitet die Kommission weiterhin intensiv daran, die noch für 2025 angekündigten Vorschläge rechtzeitig vorzulegen. 

Am 4. November werden zwei nicht-legislative Mitteilungen im Bereich Mobilität erwartet: Der Sustainable Transport Investment Plan soll einen strategischen Rahmen schaffen, um Investitionen in die Dekarbonisierung des Verkehrssektors gezielt zu bündeln. Zwar ist eine verkehrsträgerübergreifende Ausrichtung vorgesehen, der Fokus dürfte jedoch insbesondere auf Maßnahmen für den Luft- und Schiffsverkehr liegen. Der High Speed Rail Network Plan zielt darauf ab, die Verbindungen zwischen Haupt- und Großstädten in Europa verbessern, um die Schiene bei innereuropäischen Reisen als attraktive Alternative zum Flugzeug zu stärken. 

Am 19. November folgt ein Digitalpaket. Auch in diesem Bereich wird das Ziel der Vereinfachung fortgesetzt: Kernelement des Pakets ist ein Omnibus zur Vereinfachung der Digitalgesetzgebung, eine Strategie für eine europäische Datenunion, eine Initiative für eine europäische Brieftasche für Unternehmen und gegebenenfalls auch eine Initiative zum Cyber Resilience Act. 

Am 25. November soll der Clean Industrial Deal weiter konkretisiert werden. Dazu zählt insbesondere die Vorlage des European Grid Package, das den Ausbau der Stromnetze beschleunigen soll, u.a. durch weiter beschleunigte Genehmigungsverfahren. Auch soll deren europäische Integration weiter vorangetrieben werden, um den Energiebinnenmarkt und eine flächendeckende Elektrifizierung zu verwirklichen. 

Noch offen ist der genaue Zeitpunkt für die Veröffentlichung der neuen Gesetzgebungsinitiative für saubere Unternehmensflotten, die für Ende des Jahres angekündigt wurde. Ziel des Vorschlags ist es, die Nachfrage nach emissionsfreien Fahrzeugen ankurbeln. Auch bei weiteren ursprünglich für das vierte Quartal geplanten Vorhaben, darunter die Verordnungen zu multimodalen digitalen Mobilitätsdiensten und einheitlichen digitalen Buchungs- und Ticketdiensten für den Bahnverkehr, sind derzeit keine Details zum Zeitplan bekannt. 

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Johannes Imminger

Leitung Büro Brüssel der Wiener Stadtwerke

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Lucie Petersen

Büro Brüssel der Wiener Stadtwerke