Wiener Stadtwerke forcieren Klimaneutralität bis 2040 durch ESG-Programm und ökologische Innovation

Elisa Gramlich und Marika Püspök
08/22/2025

Die Wiener Stadtwerke verfolgen ein ambitioniertes Nachhaltigkeitsziel: Klimaneutralität bis 2040 (Netto Null). Im Zentrum stehen das konzernweite ESG-Programm, eine umfassende THG-Bilanzierung sowie gezielte Investitionen in erneuerbare Energien, Kreislaufwirtschaft und soziale Verantwortung.

ESG-Programm als Steuerungsinstrument für Nachhaltigkeit

Die EU verschärft ihre Vorgaben zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, allen voran mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Die CSRD bringt neue regulatorische Anforderungen mit sich und setzt neue Maßstäbe für Transparenz und Nachhaltigkeit. Gleichzeitig haben sich die Wiener Stadtwerke ambitionierte Nachhaltigkeitsziele gesetzt - allen voran das Ziel der Netto Null 2040. Daher haben die Wiener Stadtwerke ein konzernweites vierjähriges ESG-Programm (Environmental, Social, Governance) aufgesetzt. Es dient als übergeordneter Rahmen, um sämtliche Aktivitäten in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung zu bündeln und auf das zentrale Ziel der Klimaneutralität 2040 auszurichten. 

Das Programm umfasst unter anderem die Entwicklung einer konzernweiten Kreislaufwirtschaftsstrategie (inkl. Materialflussanalyse) sowie einer Biodiversitätsstrategie, die Erstellung eines Klimatransitionsplans sowie die Vorbereitung auf die kommende ESG-Berichtspflicht. Der vorliegende freiwillige Übergangsbericht gibt Einblicke in zentrale Nachhaltigkeitsinitiativen des Geschäftsjahres 2024 und zeigt, wie Klimaschutz, Kreislaufwirtschaft und soziale Verantwortung im Unternehmen verankert sind.  Inhaltlich orientiert sich der Bericht teilweise an der bisherigen GRI-Berichterstattung und bereitet schrittweise auf die künftige Anwendung der European Sustainability Reporting Standards (ESRS) im Rahmen der CSRD vor. Ab dem Geschäftsjahr 2027 wird die Nachhaltigkeitsberichterstattung für die Wiener Stadtwerke verpflichtend, inklusive externer Prüfung. 

Treibhausgas-Bilanzierung nach internationalem Standard

Ein zentrales Instrument der Klimastrategie ist das konzernweit entwickelte Carbon Rule Book. Es basiert auf dem international anerkannten Greenhouse Gas Protocol  und definiert verbindliche Standards für die Bilanzierung aller Treibhausgasemissionen (in Kategorien von Scope 1–3) innerhalb der Wiener Stadtwerke-Gruppe.  Damit schaffen wir eine einheitliche und transparente Grundlage zur Bewertung unserer Emissionen und zur Ableitung valider Reduktionsziele auf dem Weg zur Netto Null 2040. 

Die größten direkten Emissionen (Scope 1) der Wiener Stadtwerke-Gruppe entstehen aktuell noch in den erdgasbetriebenen Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, in der Müllverbrennung sowie im fossil betriebenen Anteil des Verkehrssektors. Um den Übergang zur Klimaneutralität zu gestalten, wurden u.a. Maßnahmenpläne zur Reduktion des Gaseinsatzes, zur Umstellung der Energieversorgung und zur nachhaltigen Beschaffung entwickelt. 

Energieunabhängigkeit durch Geothermie und grünen Wasserstoff

Konkrete Investitionen wie in den Ausbau der Stromnetze, die Errichtung von Geothermie- und Wasserstoffanlagen sowie Maßnahmen für nachhaltige Mobilität und Energieeffizienz treiben den Wandel in der Energieversorgung aktiv voran.  Diese Projekte fördern die Dekarbonisierung, stärken die Versorgungssicherheit und schaffen die Grundlage für klimafreundliche Wärme, saubere Mobilität und eine unabhängige Energiezukunft. 

  • Mit 2025 verzichtet Wien Energie vollständig auf russisches Erdgas - sowohl im Kraftwerksbetrieb als auch in der Kund*innenversorgung. Der Ersatz erfolgt über Lieferverträge mit alternativen Anbietern aus der Nordsee. Die dadurch entstehenden Mehrkosten werden nicht an die Kund*innen weitergegeben. 
  • In Wien Aspern entsteht eine Tiefengeothermie-Anlage, die heißes Tiefenwasser zur CO₂-freien Fernwärmeerzeugung nutzt. Das Projekt „deeep“ ist ein Joint Venture von Wien Energie und OMV. 
  • In Simmering wurde Wiens erste Produktionsanlage für grünen Wasserstoff in Betrieb genommen. Mit einer Leistung von 3 MW werden täglich bis zu 1.300 kg Wasserstoff aus erneuerbarem Strom erzeugt, die im Verkehr, in der Industrie und zur Energiespeicherung genutzt werden. Die Buslinie 39A wurde bereits auf Wasserstoffbetrieb umgestellt. 
  • Wien Energie fördert die Wiederverwertung und effiziente Ressourcennutzung. Mit „Closing the Loop“ wird seit 2023 an der Umsetzung einer umfassenden Kreislaufwirtschaft gearbeitet, die ab 2024 weiter vorangetrieben wird. Schwerpunkte sind Phosphorrückgewinnung aus Klärschlamm und CO₂-neutrale Reststoffverwertung im Projekt Waste2Value. Auch Wiener Linien und Friedhöfe Wien setzen auf Recycling und Wiederverwendung.  
  • Zusätzlich bildet die Wiener Stadtwerke-Gruppe im Klimaschutz-Traineeprogramm seit 2024 junge Talente aus. Über 18 Monate sammeln sie in verschiedenen Unternehmensbereichen praxisnahe Erfahrungen und leisten so einen aktiven Beitrag zur Klimawende. 

Im Umweltbereich zeigt sich bereits ein messbarer Erfolg: 

  • Die Scope-1-CO₂-Emissionen, also die direkten Treibhausgasemissionen, sanken zwischen 2022 und 2024 um rund 30 % von 2,86 Mio. auf 2,01 Mio. CO2e. 
  • Parallel dazu verringerte sich die Stromerzeugung auf 4.961 GWh (2024), was auf Effizienzgewinne und den Ausbau erneuerbarer Energien zurückzuführen ist. 

Soziale Nachhaltigkeit: Vielfalt, Inklusion und Teilhabe

Auch soziale Aspekte sind fester Bestandteil der Nachhaltigkeitsstrategie der Wiener Stadtwerke. Der Konzern wurde mehrfach für seine soziale Verantwortung ausgezeichnet - etwa 2024 als „Diversity Leader“ für seine konzernweite DEI-Strategie (Diversity, Equity, Inclusion). Der Frauenanteil bei Neueinstellungen liegt bei über 30 %, die interne Fluktuationsrate (das Verhältnis von Ein- und Austritten aus dem Arbeitsverhältnis mit der Wiener Stadtwerke Gruppe) konnte im Jahr 2024 auf 8,9 % gesenkt werden. Für Aktivitäten zur Förderung der Barrierefreiheit (unter anderem für barrierefreie Notrufstellen und den Gebärdenavatar der Wiener Linien), wurden die Wiener Stadtwerke mit dem “Access City Award 2025” ausgezeichnet. Diese Initiativen machen deutlich, dass soziale Werte fest im Konzernprofil verankert sind.  

Nachhaltige Beschaffung

Auch bei der Beschaffung wird konsequent auf soziale und ökologische Nachhaltigkeit gesetzt: 

  • Für Aufträge ab 150.000 € (Liefer- und Dienstleistungen) bzw. ab 1 Mio. € (Bauaufträge) gelten verbindliche Nachhaltigkeitskriterien. 
  • Grundlage bilden die Öko-Kaufkriterien der Stadt Wien, ergänzt durch den nationalen Aktionsplan nachhaltige Beschaffung (naBe) und konzerninterne Nachhaltigkeitsanforderungen. 
  • Ziel ist ein konzernweit abgestimmter Green Procurement-Katalog, der die Öko-Kaufkriterien der Stadt Wien, zusätzliche Nachhaltigkeitsanforderungen pro Warengruppe, verbindliche Mindeststandards ab bestimmten Auftragswerten sowie Vorgaben zu Kreislaufwirtschaft und Innovation bündelt und laufend weiterentwickelt wird. 

Kultur fördern, Mobilität gestalten, Digitalisierung vorantreiben – auch in diesen Bereichen zeigen die Wiener Stadtwerke Verantwortung: 

  • Ausbau der E-Zustellung durch WienIT: 2,5 Millionen Sendungen pro Jahr werden emissionsfrei ausgeliefert 
  • Zertifizierung der Cloud-Dienste nach ISO 27018 – als Vorbereitung auf die kommende NIS-2-Richtlinie für IT-Sicherheit von kritischer Infrastruktur 

Fazit und Ausblick

Die Wiener Stadtwerke beweisen mit ihrem freiwilligen Übergangs-Nachhaltigkeitsbericht, dass sie Verantwortung nicht nur übernehmen, sondern aktiv gestalten will. Der Bericht zeigt klar: Klimaschutz, soziale Verantwortung und wirtschaftliche Stabilität können Hand in Hand gehen.  Wir verpflichten uns freiwillig zu einem umfassenden ESG-Ansatz, der sich eng an den EU-Vorgaben orientiert – und bringen diesen mit konkreten Maßnahmen wie Geothermie-Ausbau, Wasserstofftechnologie und sozialen Projekten zum Leben. Als Vorreiterin im öffentlichen Sektor zeigen wir, wie Wandel geht – mutig, verlässlich und im Sinne kommender Generationen. 

In den kommenden Jahren liegt der Fokus auf der vollständigen Umsetzung der CSRD-Berichtspflicht, dem schrittweisen Rückbau fossiler Energieträger und zugleich dem konsequenten Ausbau erneuerbarer Energien sowie digitaler, sozial gerechter Infrastrukturen. So positionieren sich die Wiener Stadtwerke als Vorreiterin einer nachhaltigen Stadtentwicklung. 

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Elisa Gramlich

ESG Programmleitung Wiener Stadtwerke

Contact image© Profilfoto von Marika Püspök

Marike Püspök

Chief Climate Officer bei Wiener Stadtwerken