Marcel Lehner
28.05.2025
Die Vorbereitung auf ein Blackout-Szenario folgt bei den Wiener Stadtwerken einem mehrschichtigen Ansatz. Dieser vereint präventive Maßnahmen zur Netzstabilität mit reaktiven Plänen zur Schadensbegrenzung und raschen Wiederherstellung im Krisenfall. Damit dieses Zusammenspiel gelingt, ist eine enge interne Abstimmung zwischen den einzelnen Konzernunternehmen sowie mit externen Akteuren wie der Stadt Wien, Einsatzorganisationen und dem Übertragungsnetzbetreiber Austrian Power Grid (APG) von zentraler Bedeutung.
Im Zentrum der Blackout-Vorsorge steht die Fähigkeit ausgewählter Kraftwerksanlagen, einen sogenannten „Schwarzstart“ durchzuführen - also ohne externe Stromzufuhr hochzufahren - oder im „Inselbetrieb“ definierte Netzbereiche autark zu versorgen. Wien Energie verfügt über Kraftwerkskapazitäten, insbesondere moderne Gas- und Dampf-Kombikraftwerke (GuD) und thermische Abfallverwertungsanlagen, die technisch für solche Szenarien vorbereitet sind. Notstromaggregate sichern dabei die Eigenversorgung kritischer Anlagenkomponenten.
Auch bei der Fernwärmeversorgung spielt Resilienz eine entscheidende Rolle. Da der Betrieb stark von elektrischen Pumpen abhängt, kommen im Ernstfall umfassende Notfallpläne zum Einsatz. Diese ermöglichen entweder einen Betrieb auf reduziertem Niveau oder – falls erforderlich - eine geordnete, koordinierte Abschaltung, um Systemschäden zu minimieren. Eine strategische Bevorratung von Brennstoffen sorgt dafür, dass kritische Funktionen möglichst lange aufrechterhalten werden können.
Die Wiener Netze tragen als Verteilnetzbetreiber die Verantwortung für die Stabilität des Strom- und Gasnetzes in Wien. Bei einem Blackout besteht die erste Maßnahme im kontrollierten Lastabwurf: Netzsegmente werden gezielt getrennt, um eine weitere unkontrollierte Ausbreitung der Störung zu verhindern und die Voraussetzungen für einen geordneten Netzwiederaufbau zu schaffen. Im Anschluss erfolgt der geordnete Wiederaufbau des Netzes nach einem klar prädefinierten Stufenplan - in enger Abstimmung mit dem Übertragungsnetzbetreiber APG und Wien Energie.
Priorität hat dabei die Versorgung systemrelevanter Einrichtungen (Krankenhäuser, Sicherheitseinrichtungen, Wasserversorgung) sowie der Kraftwerke, die für den Wiederaufbau benötigt werden. Eigene Notstromversorgungen sichern die Funktionsfähigkeit der zentralen Netzleitstellen der Wiener Netze auch bei Ausfall der öffentlichen Stromversorgung. Diese komplexen Abläufe werden regelmäßig in Krisenübungen getestet und optimiert.
Der öffentliche Verkehr ist im Blackout-Fall unmittelbar betroffen, insbesondere schienengebundene Systeme wie U-Bahn und Straßenbahn, die von einer kontinuierlichen Stromversorgung abhängig sind. Im Blackout-Fall kämen diese Systeme zum Stillstand. Die Notfallprotokolle der Wiener Linien sehen eine sichere Evakuierung der Fahrgäste aus Zügen und Tunnelanlagen vor. Tunnelanlagen und Stationen verfügen über Notbeleuchtungen und Kommunikationssysteme, die mit Batteriepuffern oder Notstromaggregaten gespeist werden.
Eine höhere Resilienz weisen die dieselbetriebenen Autobuslinien auf. Sie können bei gesicherter Treibstofflogistik längerfristig zur Aufrechterhaltung einer Grundmobilität eingesetzt werden. Auch die Wiener Lokalbahnen verfügen über entsprechende Notfallpläne, die eine geordnete Stilllegung und Wiederaufnahme des Betriebs regeln. Gesteuert wird das Krisenmanagement von der zentralen Leitstelle der Wiener Linien, die mit Einsatzkräften und Fahrgästen kommuniziert.
Ein erfolgreiches und funktionierendes Krisenmanagement eines Blackout-Szenarios basiert nicht nur auf Technik – es braucht klare Governance-Strukturen und eingespielte Kooperation sowie Kommunikation zwischen allen relevanten Akteuren. Die Wiener Stadtwerke sind fester Bestandteil des Krisenmanagements der Stadt Wien. Innerhalb des Konzerns und den Konzernunternehmen existieren eigene Krisenstäbe, die eng mit dem städtischen Krisenstab, den Blaulichtorganisationen und anderen Infrastrukturbetreibern – etwa aus den Bereichen Wasserversorgung oder Telekommunikation – zusammenarbeiten und sich kontinuierlich abstimmen. Diese etablierten Kommunikations- und Entscheidungswege stellen sicher, dass Entscheidungen rasch getroffen und Maßnahmen effizient umgesetzt werden.
Die Vorsorge gegen Blackout-Szenarien endet nicht mit einem Plan auf Papier. Sie ist ein kontinuierlicher, lernender Prozess, der Anpassungen an neue technische Entwicklungen, veränderte Risikolandschaften und gewonnene Erkenntnisse aus Übungen und realen Ereignissen erfordert. Die Wiener Stadtwerke investieren daher laufend in die Weiterentwicklung ihrer Infrastruktur und Notfallpläne sowie die Schulung der Mitarbeiter*innen.
Ein Blick in die Zukunft zeigt: Maßnahmen wie der Ausbau dezentraler, erneuerbarer Energieerzeugung wie Photovoltaik und die Erforschung von Speichertechnologien können zukünftig ebenfalls zur Stärkung der Systemresilienz beitragen, indem sie potenziell die Fähigkeit zur Bildung stabiler Inselnetze erhöhen.
Die Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit und die Minimierung der Auswirkungen von Großstörungen bleiben eine zentrale strategische Verpflichtung der Wiener Stadtwerke - im Dienste der Wiener Bevölkerung und Wirtschaft. Die Verantwortung nehmen wir mit fortlaufenden Investitionen und vorausschauender Planung wahr, um Wien auch in Krisenzeiten als lebenswerte und funktionsfähige Metropole zu erhalten. Denn Wien soll auch dann funktionieren, wenn alles andere stillsteht.
Chief Security Officer