Neues EU-Klimaziel 2040: Minus 90% mit (umstrittenen) Flexibilitäten

Johannes Imminger und Ines Koubek
07/02/2025

Es wurde schon lange diskutiert, jetzt ist es auf den Tisch gelegt worden: Die EU-Kommission schlägt als neues verbindliches Zwischenziel eine Emissionsreduktion um -90% bis 2040 vor. Neu und umstritten: Internationale Zertifikate sollen Flexibilität bei der Zielerreichung bringen.

Ein neues Ziel für die nächste Etappe der Klimapolitik

Der Vorschlag ist Teil der notwendigen Überarbeitung des EU-Klimagesetzes und wurde auf Basis der umfassenden Folgenabschätzung von Februar 2024, dem wissenschaftlichen Gutachten des EU-Klimabeirats sowie umfassender Konsultationen mit Mitgliedsstaaten, Zivilgesellschaft und Wirtschaft entwickelt.

Das 90 %-Ziel schließt die Lücke zwischen den bisherigen Etappen der EU-Klimapolitik: dem bereits gültigen 55 %-Ziel bis 2030 und dem langfristigen Ziel der Klimaneutralität bis 2050. Es soll Planungssicherheit für Investitionen bieten, einen klaren Rahmen schaffen und gleichzeitig die globale Rolle Europas in der Klimapolitik stärken– nicht zuletzt mit Blick auf die bevorstehende COP30 in Brasilien. Im Vorfeld dieser müssen die Vertragsparteien nämlich im September ihre neuen Ziele, die sogenannten „NDCs“ (Nationally Determined Contributions) vorlegen.

Mehr Flexibilität - nicht ohne Kritik

Im Gegensatz zu den Diskussionen zum Klimagesetz in der letzten Legislaturperiode (unter dem Green Deal) möchte die Kommission das neue 2040-Ziel jedoch auf einem „pragmatischeren und flexibleren Weg“ erreichen. Dies geht zurück auf intensiven Druck aus einigen Mitgliedstaaten, Teilen des Europäischen Parlaments und großen Teilen der Stakeholder aus der Industrie, die eine neue Schwerpunktsetzung in der europäischen Politik wünschen. Die Stoßrichtung des Clean Industrial Deals und den Omnibus-Paketen wird durch den heutigen Legislativvorschlag unterstützt.

So sollen Mitgliedsstaaten künftig sektorübergreifend Emissionsziele erfüllen können – etwa durch eine stärkere Emissionsminderung im Verkehrs- oder Abfallbereich, wenn in der Landnutzung Defizite bestehen. Zusätzlich sind eine begrenzte Nutzung (bis zu 3%) hochwertiger internationaler Emissionsgutschriften ab 2036 vorgesehen.

Der wissenschaftliche Beirat der Kommission hatte sich im Vorfeld dazu kritisch geäußert. Diese Zertifikate basieren auf Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens, sind jedoch nicht Teil des EU-ETS, sondern ein separates Instrument zur Zielerreichung.

Auch dauerhafte CO₂-Entnahmen – etwa durch BECCS oder Direct Air Capture – sollen laut Vorschlag der Kommission im Rahmen des EU-ETS angerechnet werden, um verbleibende Emissionen aus hard-to-abate Sektoren auszugleichen. Dies betrifft allerdings ausschließlich im Inland (innereuropäisch) erbrachte und dauerhaft gespeicherte Emissionen. Eine Überarbeitung des ETS ist für 2026 vorgesehen.

Zwischenziel 2030 in Reichweite

Ende Mai hat die Kommission auch die aktualisierten nationalen Energie- und Klimapläne bewertet, in denen die Mitgliedsstaaten ihren Weg zur Erreichung der 2030er Ziele darlegen. Seit 1990 wurden die Treibhausgasemissionen in der EU um 37 % gesenkt, allein im Jahr 2023 um 8 %. Bleiben die Mitgliedstaaten auf dem aktuellen Kurs, ist bis 2030 eine Reduktion um 54 % möglich – und damit nahezu das offizielle Ziel von 55 %. Eine große Lücke besteht vor allem im Bereich der Energieeffizienz. In der Einzelbewertung wird Österreich dazu aufgefordert, die Maßnahmen des österreichischen NEKP rasch in die Tat umzusetzen und ortet Verbesserungspotenzial bei der Akzeptanz von Windkraft.

Ausblick: Vom Vorschlag zur Umsetzung

Der Vorschlag der Kommission geht nun an das Europäische Parlament und den Rat. Ziel ist, das 2040-Ziel rechtzeitig vor der Klimakonferenz COP30 im November zu beschließen und dort in die internationale Klimapolitik einzubringen. Parallel dazu wird der neue Zielpfad die Grundlage für den künftigen EU-Klima- und Energiegesetzgebungsrahmen nach 2030 bilden. Dazu zählen beispielsweise die Erneuerbaren-Energien Richtlinie (RED) und die Energieeffizienzrichtlinie (EED), die aktuell nur Ziele bis 2030 beinhalten. Offen ist noch, ob die Kommission eine Art „Fit-for-90“-Paket in Anlehnung an das „Fit-for-55-Paket“ der letzten Legislaturperiode vorlegen wird.

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Ines Koubek

Stv. Leitung Stakeholdermanagement & Public Affairs

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Johannes Imminger

Leiter Büro Brüssel