Der Europäische Competitiveness Compass

Johannes Imminger und Elena Gehmayr
30.01.2025

Der "Competitiveness Compass" wurde veröffentlicht! Mit diesem Kompass für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit hat die europäische Kommission ihre erste übergreifende Strategie für die EU-Legislaturperiode 2024-29 vorgelegt. Zentrales Ziel ist es, sich an eine von Klima-, Technologie- und geopolitischen Veränderungen geprägte Welt anzupassen.

Ein sich wandelndes Umfeld

Die Welt befindet sich im Wandel. Wachsende Herausforderungen wie der Klimawandel, Künstliche Intelligenz und geopolitische Ereignisse bedingen, dass sich Europa anpassen muss. Die Zukunft der EU als wirtschaftliches Zentrum, als Investitionsstandort und als Produktionsstandort soll sichergestellt werden.

Die neue EU-Kommission hat die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit zum zentralen Leitmotiv ihrer Arbeit erklärt. Der vorgelegte Kompass fasst die Prioritäten der neuen Kommission zusammen und übersetzt die Draghi- und Letta-Berichte aus dem letzten Jahr in eine Art Roadmap der Kommission. Alle Maßnahmen, die in den nächsten Jahren umgesetzt werden, sollen sich an dem Kompass orientieren.

Der Competitiveness Compass als Plan für wirtschaftliches Wachstum

In diesem Report wurden drei Imperative genannt, um die europäische Wettbewerbsfähigkeit zu stärken: Die Innovationslücke schließen, eine Strategie für Dekarbonisierung und Wettbewerbsfähigkeit schaffen und die Sicherheit erhöhen sowie übermäßige Abhängigkeiten abbauen. Diese Erfordernisse sollen nun durch den Competitiveness Compass in die Realität umgesetzt werden.

1. Ein Boost für Innovation

Bezüglich der ersten Implikation werden im Kompass vier konkrete Maßnahmen festgelegt:

  • Durch eine EU-Strategie für Start-Ups und Scale-Ups soll ein freundliches Umfeld für die Gründung und Expansion junger Unternehmen geschaffen werden.
  • Für die Einführung neuer Technologien wie künstliche Intelligenz und Robotik wird großen Unternehmen im Rahmen der Initiative „KI anwenden“ Unterstützung geboten.
  • Durch den Vorschlag einer 28. Rechtsordnung sollen Aspekte des Gesellschaftsrechts, der Insolvenz und des Arbeits- und Steuerrechts vereinfacht werden, um den EU-weiten Tätigkeiten von Unternehmen eine einheitliche Regelung zur Verfügung gestellt werden.
  • Die Erstellung von konkreten Aktionsplänen in fünf strategisch wichtigen Technologiebereichen (Quanten-Technologien, Biotechnologie, Advanced Materials, Robotik und Automatisierung, Raumfahrttechnologien) wird forciert, um die Entwicklung dieser zu unterstützen.

2. Eine Strategie für Dekarbonisierung und Wettbewerb

Der Zugang von europäischen Unternehmen zu leistbarer Energie wird als essentielles Vehikel zur Umsetzung der Dekarbonisierungsziele bei gleichzeitiger Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit angesehen. Dazu werden drei zentrale Maßnahmen gesetzt: Erstens der Clean Industrial Deal, welcher bereits Ende Februar 2025 veröffentlicht werden soll. Dieser bietet einen integrierten Ansatz für die Dekarbonisierungs-, Industrie-, Wettbewerbs-, Wirtschafts- und Handelspolitik mit dem Ziel, die EU als attraktiven Standort für die Herstellung und Förderung sauberer Technologien und neuer Kreislaufwirtschaftsmodelle zu etablieren. Die Dekarbonisierung soll zum Wachstumsmotor werden. Dafür ist eine stärkere Verbindung mit industrie-, wettbewerbs-, wirtschafts- und handelspolitische Maßnahmen notwendig.

Als zweite Maßnahme sollen branchenspezifische Aktionspläne für besonders betroffene Industrien wie Stahl, Metalle und Chemie geschaffen werden. So werden deren konkrete Bedürfnisse in der Transformation thematisiert.

Drittens ist ein Affordable Energy Action Plan, also ein Aktionsplan für bezahlbare Energie geplant, der Strategien zur Senkung der Energiepreise und -kosten für Unternehmen bereitstellt. Dabei geht es darum, die Energieabhängigkeit der EU von Drittstaaten zu reduzieren und dekarbonisierte Energiequellen in der EU selbst voranzutreiben. Hinzu kommt ein Aktionsplan Elektrifizierung und ein Europäisches Netze Paket. Durch diese Maßnahmen sollen die Bereiche Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit bestmöglich vereint werden.

3. Abhängigkeiten verringern und wirtschaftlich Resilienz stärken

Hintergrund für den dritten Imperativ ist die in vielen Bereichen sehr starke Abhängigkeit der EU von Drittstaaten, wie beispielsweise bei kritischen Rohstoffen. Um dem entgegenzuwirken, sollen Lieferketten widerstandsfähiger und unabhängiger werden. Dazu sollen einerseits saubere Handels- und Investitionspartnerschaften (Clean Trade and Investment Partnerships) mit Ländern, die wichtige Rohstoffe, saubere Energien und nachhaltige Treibstoffe liefern, abgeschlossen werden. Andererseits sollen auch die Vergaberichtlinien für öffentliche Aufträge überarbeitet werden. Damit können europäische Unternehmen stärker bevorzugt werden („European Preference“), um die Industrie in Europa zu stärken und strategische Sektoren abzusichern.

Fünf zentrale Hebel für eine wettbewerbsfähige EU

 

Im Competitiveness Compass werden neben den genannten Maßnahmen in den drei Säulen zusätzlich fünf übergreifende Hebel festgelegt, die die Wettbewerbsfähigkeit über alle Sektoren stärken sollen. Diese sind:

  • Vereinfachung
  • Abbau von Barrieren im Binnenmarkt
  • Wettbewerbsfähigkeit finanzieren
  • Förderung von Qualifikationen und hochwertigen Arbeitsplätzen
  • Bessere Koordinierung zwischen Politiken auf EU- und nationaler Ebene

Diese fünf Hebel sollen dafür sorgen, dass die EU als gesamtes und nicht nur in einzelnen Bereichen wettbewerbsfähiger wird. Sie stellen demnach eine maßgebliche Ergänzung zu den Maßnahmen innerhalb der drei Säulen des Draghi Reports dar.

Bedeutung für den Energiebereich

 

Der Energiebereich wird primär im zweiten Imperativ zur Strategie für Dekarbonisierung und Wettbewerb umfasst. Die Elektrifizierung wird im Competitiveness Compass als Ermöglicher von Energieunabhängigkeit und als Schlüsselaspekt für die Energiewende gesehen. Für Anfang 2026 sind ein Aktionsplan Elektrifizierung sowie ein Aktionsplan für die Netzinfrastruktur geplant. Dabei soll unter anderem die Resilienz des Netzes gegenüber (Cyber-)Attacken und Klima-Ereignissen gestärkt werden.

Im Wettbewerbskompass wird der Weg Richtung Klimaneutralität fortgesetzt. Er beinhalt gleichermaßen das 90%-Emissionsreduktionsziel bis 2040. Wichtig ist, dass dies mit einem wettbewerbsfreundlichen Ansatz vereint wird, da Dekarbonisierungspolitiken, sofern sie gut implementiert sind, als Treiber von Wachstum gesehen werden. Zusätzlich soll der Geschäftsnutzen für dekarbonisierte Produkte gestärkt werden, indem Leitmärkte geschaffen und Frühentwickler belohnt werden.

Auch das bestehende Fördersystem wird im Competitiveness Compass thematisiert. Änderungen an Horizon Europe sind nicht vorgesehen. Die Kommission wird aber eine breitere Nutzung wichtiger Projekte von gemeinsamem europäischem Interesse (IPCEI) für innovative Sektoren fördern und Maßnahmen vorschlagen, um Verfahren zu vereinfachen sowie zu beschleunigen. Außerdem ist der sogenannte Competitiveness Fund ab 2025 vorgesehen. Er soll konkrete Förderungen zur Unterstützung der Maßnahmen der Aktionspläne schaffen und die Risiken von Investments minimieren, sodass Förderung der Wettbewerbsfähigkeit integriert gestaltet wird.

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Elena Gehmayr

Public Affairs Expertin